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Ortsgeschichte

La Ferté-Gaucher ist eine Ortschaft, die 80 km östlich von Paris liegt. Diese besteht seit mindestens dem XII. Jh. Ehemaliger Name von La Ferté-Gaucher war: Firmitas Galcherii.

Firmitas
kommt aus dem Lateinischen „firmitatis“: fest, das „Festung“ ergab.Galcherii käme aus dem altfränkischen Wort „Wahl“: Ausländer ...
Im Jahre 1911 zählte La Ferté-Gaucher 2.294 Einwohner und im Jahre 1999, 3.924.

La Ferté-Gaucher liegt im Brie Gebiet, das sich direkt östlich von Paris zwischen dem Fluss Marne im Norden und dem Fluss Seine im Süden bis in die Champagne hinein ausdehnt. Es handelt sich um eine Ebene, die in der Vergangenheit bis Anfang des XX. Jh. sehr oft als Schlachtfeld diente und zwar u.a. zwischen Franzosen und Barbaren (im Frühmittelalter), Engländer bzw. Burgunder (während des 100 Jahre Kriegs), Lothringer im XVI. Jh., Russen, Deutschen im XIX. Jh., Deutschen im XX. Jh. Gott sei Dank sind diese trüben Zeiten vorüber und wir streben danach, dass sie endgültig vorbei sind!

Die Region Brie unterteilt sich in 3 Hauptgebiete, und zwar westlich: die französische Brie, in der Mitte, zwischen dem Petit Morin un dem Grand Morin: die Brie des Morins und östlich: die Brie champenoise (d.h. Champagner Brie). La Ferté-Gaucher liegt also in der Brie des Morins. Früher hieß dieses Gebiet: Brie laitière (d.h. Brie der Milch), wo der berühmte Brie Käse hergestellt wurde. Aber da die Viehzucht seit der Flurbereinigung stark zurückgegangen ist, ist diese Benennung nicht mehr begründet und heute wird eigentlich der Brie Käse meistens in Lothringen hergestellt, doch er wird noch in ein Paar lokalen Käsereien abgelagert, z.B. in Saint-Siméon. Man erzählt, dass Karl der Große diesen Käse so sehr gern hatte, dass er sich davon in seinen Palast in Aachen liefern ließ! Und anlässlich des Wiener Kongresses, wo Taleyrand den Kongressteilnehmern den Brie Käse kosten ließ, wurde dieser Käse zu „König der Käse“ ernannt!

Das Brie Gebiet war noch im Mittelalter ein sogenanntes „Neuland“, das zwischen dem XI. und XIII. Jh. erschlossen wurde und mit Getreide, Weintrauben, Obstbäumen bebaut. Städte waren hauptsächlich von Mönchen gegründet und bestanden öfters aus einem Kloster, einer Kirche und einer Festung, die eine Bevölkerung von Handwerkern und frei gelassenen Sklaven schützte. So war La Ferté-Gaucher in der Zeit seiner Gründung. Heutzutage besteht nichts mehr von dieser Festung, außer der kreisförmigen Gestaltung der Stadt

Vom ehemaligen Kloster gibt es noch die Priorei, leider derzeit immer noch im so schlechten Zustand als Anfang des XX. Jh. Diese Priorei war Johannes dem Täufer gewidmet. Das Haus des Priores beherbergt keinen Prioren mehr seit dem XVII. Jh. Im XVIII. Jh. wurde das Gebäude restauriert und am Anfang des XX. Jh. war es der Sitz der lokalen Registraturbehörde. Jetzt dient es als Privatwohnung.

Die romanisch gotische Kirche wurde zwischen den XII. und XVI. Jh. aufgebaut. In der Zeit der französischen Revolution war der damalige Pfarrer: Jean-Thomas LEROY einer der ersten Opfer der französischen Revolution. Merkwürdig ist die Umtaufe der Straße wo die Kirche liegt. Früher hieß sie „Sankt Roman Straße“. Im Jahre 1905 wurde sie „André
Lefevre“
getauft. André Lefevre (geb. 1834 – gest. 1904) war ein überzeugter Gegner der Kirche. Er war ein Gelehrter, dessen Haus in der „Sankt Roman Straße“ lag. Er lehrte
Anthropologie und Linguistik in Paris und schrieb 25 Bücher über Literatur, Geschichte, Wissenschaft und Philosophie. Er definierte sich selbst als „Dichter, Historiker und materialistischer Philosophe“ und starb ohne Beisein eines Pfarrers.

Die „Commanderie“, die jetzt immer noch ein Bauernhof ist, wurde von Mönchen des Maltaordens errichtet. Vor ein paar Jahren wurde das Gebäude links auf dem Foto durch einen Brand leider vernichtet. Die schmucklose Architektur der Kapelle, die jetzt als Scheune dient, ist typisch diesem Maltaorden.

In der Vergangenheit gab es sehr viele Mühlen in La Ferté-Gaucher, genauer gesagt gab es die ersten Papiermühlen im Gebiet des „Grand Morin“. Heute in Saint-Rémi-de-la-Vanne (eine Nachbarortschaft) gibt es ein sehr gut gedeihendes Papierwerk, bzw. das der direkte Nachfolger dieser Mühle ist. In diesem Werk wird Papier für Banknoten hergestellt! In La Ferté-Gaucher anfangs des XX. Jh. gab es noch 4 Wassermühlen, die damals: Papier, Mehl, Öl und industrielle Produkte anhand Wasserstrahl vom „Grand Morin“ produzierten. Eine der ältesten Mühlen war die „Moulin de la Ville“, die aber seit dem Jahre 1978 nicht mehr besteht. Einer der „Überlebenden“ ist die „Moulin des Grenouilles“. Der Nachfolger des damaligen Besitzers hat das Getreidesilo der Kooperative aufbauen lassen.

Im Jahre 1847 erhielt La Ferté-Gaucher eine Lizenz für Viehvermarktung. Da diese Tätigkeit sich ganz gut entwickelte, man nannte damals La Ferté-Gaucher unfreundlicher weise für die Bewohner: die Stadt des Viehes (!!!), wurde eine Halle im gleichen Stil wie der berühmte „Pavillon Balthar“ in Paris errichtet. Dieses Gebäude diente allerdings nicht lang als Halle, denn wegen zu hohen Gebühren wurde dieser Markt aufgegeben. Ab 1928 diente sie als Gemeindesaal und die Restaurierung von 1997 gab ihr den ursprünglichen Glanz zurück. Für ihre Einweihung nahm der Musikzug aus Nütterden teil! Das war großartig!

Zu erwähnen ist auch das ehemalige Krankenhaus neben der Kirche, das bis im Jahre 1971 in Betrieb war. Am Anfang des XX. Jh. wurde es von Nonnen des Ordens „Darstellung der Maria“ geführt und viele künftige Einwohner von La Ferté-Gaucher kamen in diesem Ort zur Welt. Dieses Gebäude wurde als Wohnhaus umgebaut.

Was La Ferté-Gaucher auch charakterisiert sind 2 traditionelle Brunnbecken; das größte befindet sich auf dem Rathausplatz, er wurde in dem damaligen einfachen lokalen Stil im XVIII. Jh. gebaut. Das Foto, worauf es zu sehen ist, stammt aus dem Jahre 1955 und im Hintergrund des Bildes bemerken wir „Le Grand Café Francais“, das damals vom Ehepaar Doumeizel (Eltern unserer Freundin Christiane Danneels) geführt wurde. Das 2. Brunnbecken befindet sich gegenüber der Kirche und ist etwas kleiner. Es ist im selben Stil wie das 1. errichtet und das Wasser, das daraus fließt, ist im Gegensatz zum ersten Becken trinkbar!

Man darf in dieser Darstellung das Hotel „Le Sauvage“ nicht vergessen. Dieses Gebäude besteht seit sehr langem – seit dem Mittelalter – und diente immer als Hotel. Der Weinkeller, den man besichtigen kann, ist noch im selben Zustand wie zuvor mit seinen schönen Gewölben und Pfeilern. Der König Heinrich der IV (von Frankreich) hätte dieses Gasthaus im Jahre 1594 sogar besucht.

Ein wichtiger Platz in La Ferté-Gaucher ist der Bahnhof, der am Sonntag, den 14. August 1888 endlich eingeweiht wurde, endlich weil die Einwohner auf die Verlängerung der Eisenbahn von Coulommiers bis La Ferté-Gaucher (auf der Linie von Paris) seit 1863 warteten! Merkwürdig ist, dass anfangs des XX. Jh. der Zug 2:40 Stunden/Minuten bis nach Paris brauchte und jetzt im Jahre 2000 1:40 Stunde/Minuten. Kommen wir zurück zur Einweihungsfeier. Nach der offiziellen Feier sollte ein Mädchen, Albertine, Spielzeuge von einem Luftballen heraus an Kinder werfen. Leider gab es Wind und der Korb stieß gegen eine Mauer und 2 Personen wurden verletzt.

Und jetzt ein Blick auf den Markt. Dieser besteht mindestens seit dem Jahre 1177, wie es auf einer offiziellen Erklärung von damals steht und damals wie heute fand er donnerstags auf demselben Platz statt! Allein dieser einfache ländliche Markt symbolisiert die Kontinuität zwischen der Vergangenheit und heute.
Noch ein Wort über das Werk Villeroy & Boch: was fiel dem deutschen Keramiker Villeroy & Boch ein, sich in La Ferté-Gaucher niederzulassen? Ursprünglich hatte er sich für Provinz entschieden, weil es drüben Tongruben gibt, aber der damalige Bürgermeister, Alain
Peyrefitte, verweigerte energisch, das ein so unästhetisches Werk seine prachtvolle historische Stadt stört. Diese Entscheidung wurde aber im Jahre 1958 getroffen und es gehörte bestimmt anderen Zeiten bzw. die goldene Nachkriegsperiode.

Als Fazit, wie Sie sicher aus diesen alten Bildern entnommen haben, hat sich die Stadt seitdem nicht sehr geändert. Warum? Weil La Ferté-Gaucher weit von den Hauptstraßen sich befindet und weshalb ist sie kein strategischer Platz. Es kann ein Nachteil sein, aber es ist auch ein Vorteil für diejenigen, die die Stimmung der Vergangenheit empfinden möchten.